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Verwalterhaftung bei der Betonsanierung

Die Balkonanlage der in den 60er Jahren errichteten Wohnanlage in Köln zeigte ab Ende der 90er Jahre bauliche Mängel auf. Die Balkone der vier Wohngebäude mit 334 Wohnungen erstreckten sich jeweils über die gesamte Breite der Hausfassade. Sie bestanden aus Betonplatten mit Brüstungen aus Betonfertigteilen.

Im Herbst 2000 beauftragte die Verwalterin ein Sachverständigenbüro mit der Erstellung eines Gutachtens zum Zustand des Betons der Balkone und zur möglichen Sanierung. Daneben wurde ein Statiker mit der Untersuchung beauftragt, die Tragfähigkeit der Balkone zu untersuchen. Der Statiker kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund der aufgetretenen Betonabplatzungen und der Korrosion von Stahlbauteilen die Sicherheit der Balkonbrüstungen nicht mehr gewährleistet sei. Er empfahl eine Sicherung mit Stahlwinkeln. Der Gutachter empfahl darüber hinaus eine umfassende Betonsanierung. Ob dieses Gutachten den Wohnungseigentümern von der Verwalterin bekannt gemacht wurde, blieb in den Vorinstanzen streitig.

Bei einer Wohnungseigentümerversammlung 2001 wurde protokolliert, dass nach Aussage vom Sachverständigen und Statiker eine einfache Betonsanierung mit Epoxidharz genügend sei. Weitere 8 Jahre stand die Balkonsanierung anschließend nicht mehr auf der Agenda der Wohnungseigentümerversammlungen. Die Verwalterin ließ in dieser Zeit gleichwohl Sanierungsarbeiten an den Balkonen durchführen. Dabei wurden Beschichtungen und Fugenversiegelungen beauftragt. Der finanzielle Aufwand in den Jahren 2003 bis 2010 belief sich auf rund 200.000 €. 2004 informierte eine Wohnungseigentümerin die Verwalterin darüber, dass an mehreren Balkonen Betonbrocken herunterfielen.

Es bildete sich eine Eigentümergruppe in der Wohnanlage, die die Verwalterin in Regress nehmen wollte. Die Eigentümer schlossen sich hierfür zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, ließen sich von der WEG deren Ansprüche auf Schadensersatz abtreten und verklagten die Verwalterin auf Schadensersatz in Höhe von rund 219.000 €, weil sie die notwendige Sanierung der Balkonanlage verschleppt habe. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Auch der Berufung blieb der Erfolg versagt. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass es in erster Linie Sache der Wohnungseigentümer sei, über Maßnahmen der Instandsetzung und Instandhaltung zu beschließen. Wenn die Wohnungseigentümer und der Verwalter in Bezug auf Baumängel den gleichen Kenntnisstand hätten, sei es Sache der Wohnungseigentümer, rechtzeitig entsprechende Beschlüsse zu fassen.

Der BGH hob die Vorinstanz mit Beschluss vom 21.11.2019 auf und verwies den Rechtstreit zur weiteren Verhandlung und zur Beweisaufnahme zurück an das Berufungsgericht.

Die Haftung der Verwalterin könne nicht mit der Begründung verneint werde, sie sei nicht zum Tätigwerden verpflichtet gewesen, weil sie keinen Wissensvorsprung gegenüber den Wohnungseigentümern gehabt habe. Es sei nicht die Aufgabe der Wohnungseigentümer, sondern die der Verwalterin zu überprüfen, ob ein Mangel am Gemeinschaftseigentum vorliege und wie er zu beseitigen sei. Die Wohnungseigentümer dürften sich darauf verlassen, dass ein Verwalter diese Überprüfung vornehme, die Wohnungseigentümer hierüber informiere und eine sachgerechte Beschlussfassung vorbereite. Auch eine besondere, weitergehende Kenntnis einzelner Eigentümer von bestehenden Mängeln führe nicht dazu, dass der Verwalter von seinen Pflichten entbunden werde.

Eine Pflichtverletzung läge schon in der fehlenden Unterrichtung über die bei ihr eingegangenen Meldungen zu Schäden an Balkonen. Sollte sie darüber hinaus auch das Gutachten nicht bekannt gemacht haben, läge hierin ein weiterer Verstoß gegen die Verwalterpflichten. Soweit Schadensmeldungen eingingen, die den Verdacht begründeten, es liege ein gravierender Mangel am Gemeinschaftseigentum vor, sei die Verwalterin zur Information und zur Beschlussfassung über eine nähere Untersuchung der Ursachen verpflichtet.

Die Haftung der Verwalterin werde auch nicht davon tangiert, dass die jährlichen Ausgaben für die Betoninstandsetzung in den Wirtschaftsplänen und Abrechnungen ausgewiesen waren und weder dies noch die Kenntnis über die Schadhaftigkeit einzelner Balkone dazu geführt habe, dass einzelne Eigentümer eine Aussprache in der Eigentümerversammlung eingefordert hätten.

Soweit der Verwalter gegen seine ihm obliegende Überwachungs- Kontroll- und Unterrichtungsverpflichtung verstoßen habe, bestehe eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Pflichtverletzung für den Eintritt des Schadens kausal war (vgl. BGH-Urteil vom 19.7.2019, V ZR 75/18 – ZIV 2019, 88). Diese Vermutung könne zwar erschüttert werden. Hierzu müsse der Verwalter Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, dass die Eigentümer die notwendige Beschlussfassung auch bei korrekter Unterrichtung und Beschlussvorbereitung unterlassen hätten. Der Umstand allein, dass die Wohnungseigentümer in den Jahren 2001 bis 2009 keinen Beschluss über weitergehende Untersuchungen oder gar die Betonsanierung gefasst hätten, könne diese Vermutung schon deshalb nicht entkräften, weil in diesen Jahren das Thema Balkonsanierung nicht Gegenstand der Tagesordnungspunkte der Eigentümerversammlungen war (V ZR 101/19).