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BGH kassiert Rechtsprechung zum prägenden Zuschnitt von Wohnanlage und Umfeld

Der Bundesgerichtshof musste sich im Urteil vom 8.3.2019 einmal mehr mit der Frage der zulässigen Nutzung einer Sondereigentumseinheit auseinander setzen. Ein Sondereigentümer besaß zwei Teileigentumseinheiten, die in der Teilungserklärung mit „Laden“ bezeichnet wurden. Darin betrieb eine gewerbliche Mieterin eine Einrichtung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Die Einrichtung nahm aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit dem Bezirks-amt Berlin tageweise Obdachlose auf. Die Räume wurden dabei dergestalt genutzt, dass jeweils zwei Obdachlose in einem Raum untergebracht wurden. Küche, Toilette und Bad wurden als Gemeinschaftseinrichtungen geführt.

In einer Eigentümerversammlung 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich den Sondereigentümer auf Unterlassung dieser Nutzung in Anspruch zu nehmen. Das Amtsgericht Berlin gab der Klage auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheiten zu Wohnzwecken statt. Die Berufung hatte nur dahingehend Erfolg, dass der Sondereigentümer verurteilt wurde, alles Zumutbare und Mögliche zu unternehmen, dass eine Überlassung der Räume an Obdachlose unterbleibt. Die Revision hatte dagegen Erfolg. Der BGH änderte die Urteile und wies die Klage ab.

Der V. Zivilsenat führte im Urteil vom 8.3.2019 aus, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG nicht zustünde. Die Nutzung als Unterkunft für Obdachlose sei nicht der Nutzungsart „Wohnen“ zuzuordnen. Nach der Rechtsprechung des BGH diene eine Nutzung als Heim oder heimähnliche Einrichtung nicht Wohnzwecken (vgl. BGH-Urteil vom 27.10.2017, V ZR 193/16 (Asylunterkunft) – ZIV 2017, 80).

Für den Senat stellte sich daher nur noch die Frage, ob die als „Laden“ in der Teilungserklärung angegebene Nutzungsart die Verwendung als Obdachlosenheim zulässt oder nicht. Die Angabe erschien dem BGH nicht hinreichend klar. Eine eindeutige Zweckbestimmung enthalte nur die einleitenden Formulierungen der Teilungserklärung, die nach Wohn- bzw. Teileigentum differenzierte. Lediglich im Aufteilungsplan fand sich die Bezeichnung „Laden“. In ähnlicher Weise würden aber Bezeichnungen wie „Wohnung“ oder „Dachraum“ vorgenommen. Da das Gebäude erst im Bestand, also nachträglich aufgeteilt worden sei, ließe sich diese Bezeichnung nur so deuten, dass hierdurch nur die Feststellung der Zugehörigkeit der jeweiligen Räumlichkeiten erleichtert werden sollte. Eine Regelung der Zweckbestimmung konnte der Senat in diesen Bezeichnungen nicht erkennen.

Demzufolge dürften die Einheiten des Sondereigentümers zwar nicht zum Wohnen, aber im Grundsatz zu jedem anderen Zweck genutzt werden (vgl. BGH-Urteil vom 23.6.2017, V ZR 102/16 – ZIV 2017, 52. BGH-Urteil vom 27.10.2017, V ZR 193/16 – ZIV 2017, 80). Damit bewege sich die Nutzung zur Unterbringung von wohnungslosen Personen im Rahmen der Zweckbestimmung.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung werde demgegenüber einschränkend angenommen, dass der Charakter der Wohnanlage und sein prägendes örtliches Umfeld eine einschränkende Auslegung der Teilungserklärung erforderlichen machen könne (KG NJW-RR 1989, 140, OLG Düsseldorf, NZM 2002, 259, BayObLG, FGPrax 2005, 11). Dieser Ansicht trat der WEG-Senat beim BGH entgegen. Halte sich eine Nutzung von Wohn- bzw. Teileigentum im Rahmen der Zweckbestimmung, könne sich ihre Unzulässigkeit nicht aus dem Charakter der Anlage und den diesen prägenden örtlichen Verhältnissen ergeben.

Dies habe indessen nicht zur Folge, dass jede von einer zulässigen Nutzung ausgehende Beeinträchtigung von den Miteigentümern hingenommen werden müsse. Nach § 14 Nr. 1 WEG dürfe jeder Sondereigentümer nur in solcher Weise sein Sondereigentum gebrauchen, als dass keinem anderen Sondereigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachse. Nachteilig sei jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung. Sie müsse konkret und objektiv sein. Entscheidend sei, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen dürfe (vgl. BGH-Urteil vom 1.6.2012, V ZR 195/11 – ZIV 2012, 48, BGH-Urteil vom 4.12.2012, V ZR 224/11 – ZIV 2013, 12, BGH-Urteil vom 24.1.2014, V ZR 48/13 – ZIV 2014, 8).

Ein solches Verhalten könne in dem Rauchen im Innenhof, dem Hinterlassen von Zigarettenkippen im Eingangs- und Hofbereich sowie in dem Nichtschließen der Türen, dem Klingeln bei anderen Hausbewohnern oder der Verschmutzungen der Wohnanlage gesehen werden. Daraus ergebe sich jedoch nicht die von der Wohnungseigentümergemeinschaft beanspruchte Rechtsfolge einer Nutzungsuntersagung im Sinne von § 15 Abs. 3 WEG. Vielmehr stünde ihr nur ein Anspruch auf Unterlassung der konkreten Beeinträchtigung gegen den Eigentümer zu, von dessen Einheit diese ausginge (vgl. BGH-Urteil vom 27.10.2017, V ZR 193/16 – ZIV 2017, 80, BGH-Urteil vom 18.11.2016, V ZR 221/15 – ZIV 2016, 84). Dieser Anspruch könne durch eine Unterlassungsklage und als ultima ratio im Wege der Entziehungsklage nach §§ 18, 19 WEG durchgesetzt werden, V ZR 330/17. Anmerkung: Die Vermietung der Wohnung an Feriengäste, z.B. über Airbnb hat der BGH demgegenüber als Wohnnutzung eingestuft, vgl. BGH-Urteil vom 15.1.2010, V ZR 72/09 – ZIV 2010, 10.