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Anfechtung des Gewerbemietvertrages wegen bauordnungswidriger Räume

Mit interessanten Rechtsfragen zur Anfechtung eines Gewerberaummietvertrages und der Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht setzte sich der für Gewerbemietrecht zuständigeXII. Zivilsenat im Urteil vom 6.8.08 (XII ZR 67/06) auseinander. Die Vermieterin schloss mit der Gewerbemieterin 1997 einen Fünfjahresmietvertrag über Büroräume im Souterrain, Hochparterre und 2. OG. Im Mietvertrag war eine Verlängerungsoption für 5 Jahre vorgesehen. Wie üblich waren im Mietvertrag neben der Nettokaltmiete die Abwälzung von Nebenkosten und die Übernahme der Mehrwertsteuer vorgesehen. Die Mieterin nahm an einen Dritten eine Untervermietung vor.

Im Laufe der Zeit wurden einzelne Mängel an der Mietsache streitig. Die Mieterin minderte die Miete, die Vermieterin sprach daraufhin mehrfach die fristlose Kündigung ab August 2000 wegen Zahlungsverzuges aus. 2001 übte die Mieterin die im Mietvertrag vorgesehene Verlängerungsoption aus. Tatsächlich zog sie aber zum Ende der ersten Befristung 2002 aus. Die Vermieterin klagte auf Zahlung von 75.600 € ausstehender Mietzins. In zweiter Instanz erklärte die Mieterin die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB. Die Mieterin hatte erfahren, dass die Räume im Souterrain wegen zu geringer Deckenhöhe nur als Nebenflächen öffentlich-rechtlich zugelassen waren und nicht für den dauernden Aufenthalt von Menschen. Die Souterrainflächen hätten – ungeachtet ihrer tatsächlichen Nutzbarkeit – nicht als Büroräume genutzt werden dürfen. Wegen der Anfechtung sei der Mietvertrag von Anfang an (ex tunc) als hinfällig zu betrachten, § 142 BGB. Die Mieterin verlangte daher nach Bereicherungsrecht die gezahlte Mietkaution im Wege der Widerklage in Höhe von 15.000 € heraus.

Mit den so aufgeworfenen Rechtsfragen hatten sich nun die fünf Karlsruher Richter auseinander zu setzen und klärten dabei einige schon lange streitige Rechtsfragen. So war umstritten, ob nach der Übergabe der Mietsache eine Anfechtung des Mietvertrages überhaupt noch möglich ist, weil die Regelungen zur Gewährleistung und fristlosen Kündigung das Anfechtungsrecht vollständig verdrängen würden. Unter Berufung auf eine alte reichsgerichtliche Entscheidung (RGZ 157, 173) bejahte der Senat die Anfechtbarkeit nach Übergabe, ja sogar nach Rückgabe der Mietsache wie im vorliegenden Fall.

Damit war die nächste Rechtsfrage eröffnet, ob die Anfechtung ex tunc (von Anfang an, also rückwirkend) oder nur ex nunc (ab der Anfechtung) Wirkung entfaltet. Das Gesetz geht von einer Rückwirkung aus, § 142 Abs. 1 BGB. Die Rechtsprechung hat jedoch die Rückwirkung durch Richterrecht bei bestimmten Vertragstypen aufgehoben (Arbeitsverträge, Gesellschaftsverträge). Hierfür gibt es verschiedene Argumente. So wird beim Arbeitsvertrag angeführt, dass die Gehaltszahlungen zwar rückabgewickelt werden könnten, nicht aber die Arbeitsleistung.

Beim Gesellschaftsrecht wird der Gläubigerschutz angeführt, weil die rückwirkende Anfechtung des Gesellschaftsvertrages den Gläubigern das Haftungssubjekt rückwirkend beseitige. Auch hier bezieht sich der Senat auf alte reichsgerichtliche Entscheidungen (RGZ 86, 334; 102, 225; 157, 173), nach denen kein Anlass bestünde, bei Mietverträgen durch Richterrecht von den Bestimmungen des § 142 Abs. 1 BGB (Rückwirkung) abzuweichen. Es sei nicht ersichtlich, warum die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung insoweit besondere Schwierigkeiten aufwerfen würde. Das Gericht bejahte daher auch die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit im konkreten Fall. Die Mieterin habe zwar die Mieträume bis Juli 2002 als Büroräume genutzt, ohne dass die Nutzung durch ein Einschreiten der Baubehörde beeinträchtigt gewesen sei. Die arglistige Täuschung der Vermieterin wirke aber zulasten der Mieterin weiter, weil diese für die Souterrainräumen einen Mietpreis vereinbart habe, der auf der fehlerhaften Annahme beruhte, es handele sich um vollwertige Büroräume, die als solche öffentlich-rechtlich genehmigt seien. Tatsächlich waren die Räume jedoch nur als Büronebenräume, in denen ein dauernder Aufenthalt von Menschen nicht gestattet war, genehmigt. Hätte die Mieterin diese Information gehabt, hätte sie für die Räume im Souterrain jedenfalls nicht den im Mietvertrag festgelegten, sondern einen geringeren, für Nebenräume angemessenen Mietzins vereinbart. Die Mieterin habe zudem auch das Recht zur Anfechtung nicht dadurch verloren, dass sie die vertraglich vorgesehene Verlängerungsoption ausgeübt habe; denn zu diesem Zeitpunkt hätte sie noch keine Kenntnis vom Anfechtungsgrund gehabt.

Schließlich war noch die Art und Weise der Rückabwicklung zu klären. Auch hier sei die Saldotheorie anzuwenden, die empfangenen Vor- und Nachteile ermittele und dann prüfe, ob sich ein Überschuss ergebe. Da die Herausgabe der Gebrauchsüberlassung wegen ihrer Beschaffenheit nicht möglich sei, habe die Mieterin deren Wert zu ersetzen, § 818 Abs. 2 BGB. Dessen Höhe richte sich nach der Höhe der Mietzinsen vergleichbarer Objekte am örtlichen Markt. Wenn die Mieterin mehr bezahlt habe, habe sie einen Anspruch gegen die Vermieterin auf Auskehr der Überschüsse. In diese Saldierung sei auch die gezahlte Mehrwertsteuer einzubeziehen. Gleiches gelte für die Betriebskosten. Diese könnten jedoch nur insoweit Berücksichtigung finden, als deren Umlage ortsüblich sei.

Einzig die von der Mieterin im Rahmen der Untervermietung erzielten Gewinne seien nicht berücksichtigungsfähig. Denn diese Gewinne beruhten nicht auf einer Leistung der Vermieterin, sondern auf einer eigenen vermögensmäßigen Disposition der Mieterin. Weil das Berufungsgericht zu Fragen der Ortsüblichkeit keine Feststellungen getroffen hatte, wurde der Rechtsstreit mit diesen Ausführungen zurückverwiesen.