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„Großer Senat für Zivilsachen“ zum „kleinen Schadensersatz“ an Wohnung

Will ein Zivilsenat in einer Rechtsfrage von der Ansicht eines anderen Zivilsenats abweichen, so hat er nach § 132 GVG den „Großen Senat für Zivilsachen“ die Sache zur Entscheidung vorzulegen. Der Große Senat für Zivilsachen wird selten angerufen. Der Aufwand ist schließlich kein geringer. Mitglieder sind der/die jeweilige Präsident/in des Bundesgerichtshofs sowie ein Richter, zumeist der/die Vorsitzende jedes der 13 Zivilsenate sowie von 8 Spezialsenaten (z.B. Kartellsenat, Landwirtschaftssachen), so dass am Ende 22 Bundesrichter der verschiedenen Fachrichtungen über das jeweilige Problem zu entscheiden haben. Auslöser dieser ungewöhnlichen Entwicklungen waren zwei Käufer, die 2014 eine gebrauchte Eigentumswohnung in Krefeld zum Preis von 79.800 € erwarben. Im Kaufvertrag war u.a. vereinbart: ” Die Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Grundstücks und des Gebäudes sind ausgeschlossen. Dies gilt auch für alle Ansprüche auf Schadensersatz, es sei denn, der Verkäufer handelt vorsätzlich. {…} Dem Verkäufer ist bekannt, dass es in der Vergangenheit an der Schlafzimmerwand Feuchtigkeit gab. Sollte es bis zum 31.12.2015 erneut zu einer Feuchtigkeit im Schlafzimmer kommen, verpflichtet sich der Verkäufer diese auf seine eigenen Kosten zu beheben.”

Zuvor war die Schlafzimmerwand vom Verkäufer saniert worden. Das Feuchtigkeitsproblem trat in der vereinbarten Frist wieder auf. Die Käufer forderten den Verkäufer unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf. Als dieser nicht reagierte, führten sie ein selbständiges Beweisverfahren durch und ermittelten die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten, die sie einklagten. Das Landgericht Krefeld gab der Klage teilweise statt. Soweit Bauteile des Gemeinschaftseigentums betroffen waren, kürzte das Gericht den Betrag auf die Höhe des Miteigentumsanteils der Käufer. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies die Berufung des Verkäufers zurück. Dieser reichte die vom OLG zugelassene Revision zum BGH ein. Im Urteil vom 22.2.2018 (VII ZR 46/17 – ZIV 2018, 33) hatte der BGH bereits entschieden, dass der sog. „Kleine Schadensersatz“ (der Käufer behält die Wohnung und fordert wegen der Mangelhaftigkeit der Wohnung Schadensersatz)

nicht mehr wie bisher nach den voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten zu berechnen ist, sondern nach der Minderung des Verkehrswertes, so dass letztlich eine Angleichung zur Minderung erfolgte. Die Ermittlung über die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten würde zu einer „Überkompensation“ des Schadens führen. Die Rechtsprechung ist auf den Fall beschränkt, dass der Käufer den Mangel nicht beseitigt. Beseitigt er ihn, bleibt es bei der alten Berechnung. Der VII. Zivilsenat hielt – nachdem er von der einheitlichen Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats (Kaufrecht) und des VII. Zivilsenats (Werkvertragsrecht) abwich, eine Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen nicht für erforderlich, weil die Differenzierung durch die unterschiedlichen Regelungen im Kaufrecht und im Werkvertragsrecht gerechtfertigt sei.
Das sah nun der V. Zivilsenat (Immobilienstreitigkeiten) anders. Die unterschiedlichen Regelungen sieht auch er. Soweit eine neue Wohnung gekauft wird, richten sich die Mängelansprüche des Käufers nach Werkvertragsrecht (§ 634 ff BGB). Er hat Anspruch auf Nacherfüllung, wobei er die Kosten der Mangelbeseitigung ersetzt verlangen kann oder alternativ nach § 639 BGB Kostenvorschuss in Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten fordern kann.
Die Gewährleistungsansprüche des Käufers einer gebrauchten Wohnung richten sich nach Kaufrecht (§ 437 ff BGB). Das Kaufrecht kennt keine Norm, die einen Kostenvorschussanspruch formuliert. Hier gibt es nur den kleinen Schadensersatzanspruch. Die vollen Kosten kann der Käufer daher nur verlangen, wenn er den Mangel selbst beseitigt und dessen Erstattung fordert. Nun befragt der V. Zivilsenat den Großen Senat für Zivilsachen, ob tatsächlich die Besonderheiten des Werkvertragsrechts eine unterschiedliche Berechnungsmethode des kleinen Schadensersatzanspruchs rechtfertigen oder ob sich alle beteiligten Senate (V. VII. und VIII.) auf eine Berechnungsvariante einigen müssen, Beschluss vom 13.3.2020, V ZR 33/19.